Liebe Parteifreunde und Parteifreundinnen,
mit Roland Jahn hat der Bundestag heute Vormittag einen überzeugenden Mann als Nachfolger für Marianne Birthler zum neuen Stasi-Beauftragten ernannt. Ich finde die Entscheidung gut, der Journalist hat sich als Bürgerrechtler in der DDR mutig für Freiheit und Demokratie eingesetzt. Auch nach seiner gewaltsamen Ausbürgerung widmet sich Jahn bis heute engagiert der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der neue Stasi-Beauftragte tritt keinen leichten Job an. Er muss sich den zunehmenden Versuchen erwehren, die Existenzberechtigung der Stasi-Unterlagenbehörde in Frage zu stellen. Der Verklärung der DDR müssen wir entgegenwirken. Und das setzt voraus, sich heute noch gründlich mit dem Unrechtsstaat DDR zu beschäftigen. Ich beobachte mit Sorge, dass die DDR teilweise verklärt dargestellt wird, nach dem Motto, die DDR hatte auch etwas Gutes. Ich bin entsetzt darüber, wie wenig viele junge Menschen heute über die wirkliche DDR mit ihrem Spitzel-System, den Repressalien und den vielen Gefangenen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen in Zellen eingepfercht waren, in dem man nicht einmal stehen konnte – und zwar nur, weil sie das politische Regime nicht mitgetragen haben. Wie notwendig diese Behörde nach wie vor ist, zeigt das anhaltende große Interesse an den Stasi-Akten. (Ein Besuch des Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen gehört für mich deshalb zum Pflichtprogramm bei Besuchen von Gruppen aus dem Wahlkreis in Berlin)
Familienpflegezeit
Vor dem Plenum heute habe ich an einem internen Fachgespräch zur geplanten Familienpflegezeit teilgenommen. Für uns Liberale steht außerfrage, dass es keine restriktiven Vorschriften und bürokratische Auflagen für Arbeitgeber geben darf. Angesichts der demografischen Entwicklung halte ich das Projekt aber für unverzichtbar. Schon heute pflegt jeder vierte Erwachsene entweder Partner und Partnerin oder alte Eltern. Die Familienpflegezeit muss ein flexibles Instrument sein, um Beruf und Pflege besser zu verbinden.
Schlagabtausch um Finanzen der Kommunen
Einen heftigen Schlagabtausch zum Thema Kommunalfinanzen haben sich Koalition und Opposition bei der Debatte um einen Antrag der Linken am Donnerstag geliefert. Diese hatten mehr Unterstützung durch den Bund bei der Sanierung kommunaler Straßen gefordert und die Gewerbesteuer gefordert. Dass die Kommunen mit dem Rücken an die Wand stehen, ist ja hinlänglich bekannt. Aber angesichts einer Neuverschuldung von über 50 Milliarden Euro neue Konjunkturprogramme vom Bund zu fordern, ist bemerkenswert, jedenfalls keine Lösung. Ich finde es gut, dass mein Fraktionskollege Patrick Döring in der Plenardebatte die geforderte Einführung einer Gewerbesteuer als „das Gegenteil einer soliden Finanzausstattung“ bezeichnete. Sie wäre viel zu schwankend und wenig planbar. Statt dessen sollten wir in der Gemeindefinanzkommission ein neues System entwickeln.
Experte in Kinderkommission: Gesundheitsrisiko für arme Kinder
Risiken bei der gesundheitlichen Entwicklung gibt es vor allem bei armen Kindern, berichtete Dr. Thomas Lampert vom Robert-Koch-Institut Berlin während einer Anhörung der Kinderkommission, in der ich die FDP-Fraktion vertrete. Dr. Ulrich Fegeler vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte forderte, dass die systematische Gesundheitserziehung in den Schulen eine größere Rolle spielen müsse. Unwissenheit bei den Eltern sei nicht selten ein Grund für Defizite in der Gesundheit der Kinder. Es sei erwiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit gebe.
Bundeswehr häufig nicht familienfreundlich
Mit Interesse habe ich den Jahresbericht des Wehrbeauftragten Helmut Königshaus verfolgt. Der Bericht bestätigt, was schon in einer kritischen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode bemängelt wurde: Was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, gibt es offensichtlich immer noch Defizite. Eine große Zahl von Eingaben habe deutlich gemacht, dass häufige Wohnortwechsel und heimatferne Stationierung und Ausbildung für Familien mit vielen Schwierigkeiten verbunden sind. Bei kurzfristigen Versetzungen ist zum Beispiel die immer wieder neu zu organisierende Kinderbetreuung ein Problem. Auch führen Tele- und Teilzeitarbeit trotz hoher Nachfrage immer noch ein Schattendasein. Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Königshaus hat klar gesagt, dass das Angebot der Bundeswehr nicht ausreicht. Hier werde ich mich als frauenpolitische Sprecherin in den nächsten Monaten für eine Lösung einsetzen. Aber auch aus den Geschehnissen auf der Gorch-Fock müssen wir gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Als frauenpolitische Sprecherin werde ich mich intensiv darum kümmern, dass die Lage von Frauen bei der Bundeswehr mehr in den Blickpunkt kommt.
Internetzeitalter erfordert vernetzten Datenschutz
Heute jährt sich zum fünften Mal der so genannte Europäische Datenschutztag.
Moderner Datenschutz ist kein notwendiges Übel, sondern verlässliches Korrektiv in unserer vernetzten Welt. Zur Datenschutzkultur im Internetzeitalter müssen Staat, Wirtschaft und Betroffene selbst ihren Beitrag leisten. Unendlichem Datenfluss und unkontrollierbaren Datenspuren muss mit einem globalisierten Datenschutzkonzept begegnet werden. Einblicke in die eigene Persönlichkeit dürfen nur dann möglich sein, wenn sich der Nutzer bewusst dafür entscheidet. Mit Sorge beobachte ich, wie unbedarft sich insbesondere Jugendliche in so genannten social networks tummeln, Persönliches von sich preis geben und nicht wissen, dass auch andere Daten Spuren hinterlassen. Ich bin froh, dass Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle beim Schutz persönlicher Daten übernehmen wird. Mit der geplanten Einrichtung der Stiftung Datenschutz wird die schwarz-gelbe Koalition den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen ein völlig neues Instrument zur pro-aktiven Förderung des Datenschutzes an die Seite stellen.
Afghanistan-Mandat
Das Parlament hat heute erwartungsgemäß die Verlängerung des Afghanistan-Mandats beschlossen, und zwar mit einer klaren Abzugsperspektive. Die Sicherheitskräfte in Afghanistan sollen bis 2014 in die Lage versetzt werden, die Verantwortung im ganzen Land selbst zu übernehmen. Mit einem international abgestimmten Fahrplan will die Bundesregierung die Verantwortung bis 2014 komplett in die Hände der afghanischen Sicherheitskräfte übergeben. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt in den Bereichen Wiederaufbau und Verantwortungsübergabe, also da, womit wir überhaupt erst die Voraussetzung für einen Abzug möglich machen..
Für die FDP-Bundestagsfraktion zog mein Kollege Bijan Djir-Sarai Bilanz des internationalen Einsatzes in Afghanistan: 13.000 Kilometer Straße, der Bau von Schulen und Krankenhäusern, Verbesserung der medizinischen Hilfe und der Versorgung mit Energie. Dies seien sind Erfolge, die durch den Schutz deutscher Soldaten am Hindukusch erst ermöglicht wurden.
Gemeinsames Sorgerecht
Letzter Tagesordnungspunkt heute, am letzten Sitzungstages in dieser Woche, stand die Debatte eines Antrags der Fraktion Die Grünen zum geforderten gemeinsamen Sorgerecht von Vätern und Müttern. Der Antrag wird in den nächsten Wochen in den Fachausschüssen beraten. Ich habe Sympathie mit dem Modell, dass das gemeinsame Sorgerecht die Regel sein sollte. Wenn innerhalb von acht Wochen nach der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht verheiratet sind bzw. nicht zusammen leben, kein Widerspruch von der Mutter geäußert wird, sollte das gemeinsame Sorgerecht gelten. Es gibt für mich keinen Grund, Vätern dieses Recht abzusprechen.
Gedenken an Holocaust-Opfer
Zum Schluss möchte ich auf die bewegende Gedenkstunde am Donnerstag eingehen, als an den Holocaust und die Opfer des Nazi-Regimes erinnert wurde. Vor 66 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Der Jahrestag der Auschwitz-Befreiung ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Seit 1996 findet dazu jährlich eine Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Bundestages statt. Tief beeindruckt war ich vom diesjährigen Gastredner, Zoni Weisz, niederländischer Holocaust-Überlebender und Vertreter der Sinti und Roma.
Weisz sprach von dem „vergessenen Holocaust“, weil ihm in den Medien wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht werde: „Ich frage mich, warum das so ist. Sind die Opferzahlen ausschlaggebend für die Aufmerksamkeit, die einem zuteil wird, oder ist das Leid eines einzelnen Menschen wichtig?“
Zur heutigen Situation der Sinti und Roma sagte Weisz, es sei menschenunwürdig, wie sie vor allem in vielen ost- und südosteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien behandelt würden. Diskriminierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung seien an der Tagesordnung. Eindrucksvoll sein Appell an uns Bundestagsabgeordnete: „Wir sind doch Europäer und müssen dieselben Rechte wie jeder andere Einwohner haben, mit gleichen Chancen, wie sie für jeden Europäer gelten“, sagte Weisz unter dem Beifall des gesamten Plenums. Die Äußerungen von Zoni Weisz sollten wir uns zu Herzen nehmen. Auch die künftigen Generationen müssen aufmerksam und sensibel mit der Geschichte umgehen, dieses Unrecht darf nicht in Vergessenheit geraten.
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein schönes Wochenende.
Beste Grüße aus Berlin,
Ihre/Eure Nicole Bracht-Bendt
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