Samstag, 6.November 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Julis,

danke für die Einladung zu Ihrem Landeskongress.

Ich bin heute gespannt auf lebhafte Diskussionen und Anregungen – auch für unsere Arbeit als liberale Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Seit einem Jahr bin ich Mitglied des Bundestages und für die FDP-Fraktion unter anderem zuständig für Frauenpolitik. Ein Thema, das mir am Herzen liegt.

Die öffentliche Debatte derzeit erweckt den Eindruck, dass es nur um die Frage Quote ja oder nein geht. Ich bin davon überzeugt, dass eine Quote nur Symptome behebt, nicht die Ursachen. Eine Quote kann ich als Liberale ohnehin nicht gutheißen. Die Staat hat sich hier heraus zu halten. Zusätzliche Bürokratie und das Recht auf freie Entscheidungen können wir den Unternehmen nicht zumuten.

Das gilt auch für die Besetzung von Aufsichtsräten. Quoten-UnterstützerInnen loben immer wieder das Vorzeige-Land Norwegen mit einer Frauenquote von 40 Prozent im Berufsleben. Dabei ignorieren sie fast immer, dass es viele Unternehmen gibt, die ihre Gesellschaftsform ändern müssen, um die Quote zu umgehen. Es gibt schlichtweg immer noch Unternehmen – wie zum Beispiel in der Metallbranche – , in denen Frauen noch unterrepräsentiert sind.

Ich will die Lage der Frauen keineswegs schön reden. Bei 23 Prozent weniger Gehalt als Männer besteht dringender Handlungsbedarf. Deshalb bedauere ich, dass in unserer Fraktion die Meinung vorherrscht, der Markt regele alles allein. Wenn ich sehe, dass insbesondere in den Führungsetagen unserer Unternehmen der Anteil der Frauen immer noch gering ist – und was mir am meisten Sorgen macht – die Differenz bei den Einkommen am größten ist, dränge ich darauf, dass sich hier etwas ändert.

Es ist höchste Zeit, hier Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

1. Wir müssen den Koalitionsvertrag umsetzen. Es ist genau ein Jahr her, als die christlich-liberale Koalition den Stufenplan beschlossen hat. Durch Offenlegung und Transparenz der besetzen Stellen sollen Unternehmen für die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern sensibilisiert werden. Aus Imagegründen werden sich Unternehmen überlegen, ob sie es sich leisten können, öffentlich als frauenfeindlich abgestempelt zu sein. Das dürfte auch dazu beitragen, dass Frauen auf dem Weg nach oben nicht länger an die berüchtigte Gläserne Decke stoßen.

2. Wir sollten die Auswahlkriterien für Aufsichtsräte ändern: Warum muss ein Aufsichtsrat zwingend jahrelange Vorstands-Erfahrung haben? Kenntnisse von Wissenschaftlerinnen, Juristinnen und Wirtschaftsprüferinnen – auch ohne Vorstandserfahrung – können wertvoll für die Aufsichtsratstätigkeit sein.

3. Mein letzter Punkt ist ein gesellschaftspolitischer Appell: Erst im Berufsleben mit einer zwanghaft eingeführten Quote eine Balance zwischen Frauen und Männern herbei führen zu wollen, ist viel zu spät. Schon im Kindergarten und in der Schule müssen wir alle, Eltern, Lehrer und Freunde Mädchen zu mehr Selbstbewusstsein und weniger Bescheidenheit animieren. Der Berufswahl kommt eine spezielle Rolle zu. Schon in der Schule müssen Mädchen wie Jungen gezielter auf die Berufswelt vorbereitet werden. Mädchen muss schon hier klar gemacht werden, dass nicht nur die Berufswahl richtungsweisend sein kann. Sie müssen auch wissen, dass längere familienbedingte Auszeiten erhebliche Einschnitte beim späteren Einkommen wie auch bei der Rente verbunden sind.

Liebe Julis, ich würde gerne auch Ihre Meinung hören, was wie wir Frauen besser fördern können.  Sprechen Sie mich an, Sie sind die Generation, die dies am meisten betrifft.

Ich wünsche dem Landeskongress gute Diskussionen und Anregungen!

Herzlichst

Ihre Nicole Bracht-Bendt MdB

Sprecherin für Frauen und Senioren

FDP-Bundestagsfraktion

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