Liebe Freunde,

mit der Abstimmung über das 22,4 Mrd. Euro schwere Rettungspaket für Griechenland hat der Bundestag am Freitag die weit reichendste Entscheidung überhaupt gefällt. Nicht nur das – Für mich ganz persönlich war dies die schwierigste politische Entscheidung, die mich die ganze Woche über belastet hat. Letztendlich habe ich dem Paket zur Rettung Griechenlands zugestimmt, gleichzeitig aber eine Persönliche Erklärung zu Protokoll gegeben, in der ich zum Ausdruck bringe, dass mir die Entscheidung „sehr schwer gefallen“ ist. In der Erklärung, die dem Präsidium des Bundestages vorliegt, weise ich darauf hin, dass ich dem Gesetz nur zugestimmt habe, weil es keine Alternative gibt, um die Stabilität der Gemeinschaftswährung Euro nicht zu gefährden.

Ich wollte schriftlich festgehalten haben, dass Griechenland maßgeblich für die derzeitige Notlage selber verantwortlich ist und ich bedauere, dass die Verhandlungen der letzten Wochen nicht vorrangig einer geregelte Insolvenz oder eine Umschuldung als Ziel hatten. Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzu weisen, dass ich mich als Bundestagsabgeordnete in der Verantwortung gegenüber den deutschen Steuerzahlern sehe, die für die Kredite haften. Ich fordere Griechenland auf, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um sein Staatsdefizit in den Griff zu bekommen. In meiner Erklärung habe ich mehr Möglichkeiten der Kontrolle und Überprüfung durch die EU-Staaten, die das Rettungspaket gewährleisten, gefordert. Sicher zu stellen sind Möglichkeiten der Sanktionen, um weitere Entwicklungen, die für die Gemeinschaftswährung ein Risiko darstellen, zu verhindern.

Die Eindämmung des griechischen Brandherdes ist die Aufgabe des Augenblicks. Wir müssen allerdings gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass eine derartige Krise sich nicht wiederholen kann. Auf Initiative der Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger hat unsere Fraktion deshalb einen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht, in dem wir ganz klare Forderungen an die Bundesregierung und die Europäische Union formulieren, wie die Institutionen und Regeln im Euro-Raum angepasst werden müssen.

Ich finde, die Krise in Griechenland hält auch Lehren für die deutsche Politik bereit, die gegenwärtig meines Erachtens zu wenig berücksichtigt werden.

Denn das sinkende Vertrauen der Märkte in die zukünftige Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates, das sich zuletzt in rasant steigenden Zinsforderungen ausdrückte, ist nur teilweise auf die hohe Staats- und Neuverschuldung zurück zu führen. Vor allen Dingen ist es auch die fehlende Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands und der übrigen PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Spanien), die Anlass zum Zweifel gibt, ob diese Länder über die wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügen, um sich von sich aus dem Schuldensumpf zu ziehen.

Seit dem Jahr 2000 haben diese Länder rasant an Marktanteilen verloren – im Falle Griechenlands und Italiens weit mehr als zwanzig Prozent. Im internationalen Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit liegt Griechenland auf Platz 67 – abgeschlagen hinter Tunesien, Puerto Rico und Costa Rica. Dafür trägt die Politik die Verantwortung: Die Arbeitskosten in Griechenland sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Der Kündigungsschutz ist hoch, der Arbeitsmarkt unflexibel und vermachtet. Ein hoher Mindestlohn ist mit Grund für eine Erwerbsquote von unter 60 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von über 30 Prozent.

Die Ursache für das griechische Dilemma ist nicht nur eine Schulden-, sondern vor allem auch eine Systemkrise. Eine meiner Mitarbeiterinnen hat gerade ihre eigenen Erfahrungen dazu gemacht, als sie wegen des speienden Island-Vulkans unfreiwillig ihren Athen-Urlaub verlängern musste: Quittungen im Restaurant oder Taxis gibt es nur, wenn man darauf drängt. Und während wir in Deutschland über die von der FDP geforderte Gesundheitsprämie diskutieren, weil die Gesundheitskosten explodiert sind, ist die Behandlung in Krankenhäusern in Griechenland komplett kostenlos. Völlig erstaunt steckte meine Mitarbeiterin nach einer Behandlung deshalb ihr Portmonne wieder ein.

Das Problem in Griechenland kann nur bewältigt werden durch tief greifende strukturelle Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.

Steuerschätzung

Ein weiteres Thema, das am Ende der Woche noch einmal die politische Diskussion aufheizte: Die aktuelle Steuerschätzung und die Frage nach der Finanzierbarkeit einer Steuerreform. Mit dem Hinweis auf angebliche „Haushaltslöcher“ werden jetzt wieder die Forderungen der Liberalen in Frage gestellt. Dabei sind die Einnahmen immer noch schwindelerregend hoch – über eine halbe Billion Euro jedes Jahr. Und es gibt keinen Einnahmerückgang in den nächsten Jahren, sondern die Zuwächse sind nur nicht so hoch wie erhofft. 2012 werden die Einnahmen immer noch um 100 Milliarden höher liegen als 2005! Die Steuerschätzung hat ergeben, dass die Einnahmen von 510 auf 581 Milliarden Euro in 22014 wachsen werden. Ich zitierte hier mal meinen geschätzten Kollegen Otto Fricke, der dazu sagt: „Das belegt einmal mehr, dass der Staat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem hat.“

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen halte ich es nach wie vor für machbar, in den nächsten Jahren gleichzeitig zu sparen – und die Steuern zu senken. Konsolidierung und Entlastung sind gleichzeitig machbar. Und wie die griechische Erfahrung zeigt, auch sinnvoll. Denn nur wenn wir gleichzeitig unseren Haushalt sanieren und unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, kommen wir auch zu einem stabilen Wachstum und einer gesunden Haushaltsentwicklung. Hierzu möchte ich Euch einen kleinen Film schicken, der hier zu finden ist: http://www.fdp-fraktion.de/Steuerschaetzer-vermelden-Rekordeinnahmen/1005c891i1p6/index.html

Burka-Verbot

Die in dieser Woche breit und kontrovers geführte Diskussion um die Frage, ob man in Deutschland wie auch in Belgien ein Burka-Verbot einführen sollte, ist zwar weniger kostspielig und brisant als das Thema Griechenland und Steuern. Aber interessant ist es dennoch, die unterschiedlichen Argumentationen Pro und Contra zu verfolgen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass hier zwei Herzen in meiner Brust schlagen: Als Frauenpolitikerin ist die Burka für mich frauenfeindlich und ein Zeichen der Abgrenzung von unseren Werten. Das spricht für ein Verbot. Ich gebe aber zu bedenken, dass ein gesetzliches Verbot nicht automatisch verfassungskonform ist. Es würde ja auch solche Fälle umfassen, in denen die Trägerin das Gewand freiwillig trägt. Ich denke, man kann auch nicht davon ausgehen, dass der Mann im Falle eines Burka-Verbots seine Frau zukünftig unverhüllt das Haus verlässt. Möglicherweise wird er dann dafür sorgen, dass die Frau überhaupt nicht mehr das Haus verlassen darf. Letztendlich teile ich in dieser Frage nicht die Meinung von Silvana Koch-Mehrin, die sich für ein Verbot in Deutschland ausspricht, sondern setze als Liberale auf den Verzicht von Verboten.

Die Wahl in NRW

Wir alle wissen, dass die Wahl am heutigen Sonntag in Nordrhein-Westfalen wichtig ist. Zum einen wird es darum gehen, ob Schwarz-Gelb eine Mehrheit im Bundesrat behält – und wir damit weiterhin den Rückhalt haben, um unsere politischen Reformziele zu verwirklichen. Es geht aber auch um die Frage, ob es eine linke Mehrheit im Land gibt. Das steht und fällt mit dem Ergebnis der Linkspartei. Auf jedem Fall wird es eine Richtungswahl sein. Wenn Sie zufällig jemandem im Lande kennen, von dem Sie wissen, dass er noch nicht sicher ist, welcher Partei er seine Stimme gibt – Rufen Sie ihn an. Jede Stimme zählt!

Ich wünsche ein schönes und nicht mehr so kaltes Wochenende und grüße herzlich

Ihre/Eure Nicole Bracht-Bendt

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