Liebe Frau Schwabe,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich bin gerne Ihrer Einladung heute gefolgt. Kontakt halten zu den Mitgliedern unserer Partei an der Basis ist für mich selbstverständlich. Nicht nur das. Ich mache das auch gerne.

Also bin ich froh, dass ich heute ausnahmsweise sogar einen ganzen Tag bei Ihnen verbringen konnte. Das lässt mein dicht bestückter Terminkalender normalerweise nicht zu. Aber zum Glück haben wir ja in Berlin sitzungsfrei bis Ende August.

 

Apropos Berlin. Frau Schwabe bat mich, Ihnen aus der Arbeit im Bundestag zu berichten. Das Top-Thema derzeit ist natürlich die dramatische Euro-Krise. Das verfolgen Sie ja sicher auch. Ich muss gestehen, dass ich nicht zu jenen Politikern gehöre, die davon ausgehen, dass sich hier alles noch zum Guten wenden wird. Ich habe schon bei den zurück liegenden Abstimmungen über einen Rettungsschirm zu den Kritikern gehört. In der letzten Woche habe ich in einer öffentlichen Erklärung mich entschieden gegen eine Ausweitung des Rettungsschirmes ausgesprochen.

 

Bereits beim ersten Rettungspaket, das der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 verabschiedet hat, war ich skeptisch. Ich habe vor einem Fass ohne Boden gewarnt. In dieser Befürchtung sehe ich mich heute mehr denn je bestätigt. Dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung habe ich damals nur zugestimmt, weil damit noch keine Zahlungen verbunden sind. Ein Blankoscheck ist mit mir nicht zu machen.

 

Damals hieß es, dass niemand unter diesen Schirm flüchten werde. Lediglich die Finanzmärkte müssten besänftigt werden. Das war eine Beruhigungspille. Heute drängeln sich Irland und Portugal unter diesem Schirm.  Italiens Schuldenberg ist riesig – so riesig, dass er unter keinen Rettungsschirm passt. Mit 1,8 Billionen Euro ist Italien fast genauso hoch verschuldet wie das größere und wirtschaftsstärkere Deutschland. Verglichen mit der jährlichen Wirtschaftsleistung liegen die Staatsschulden bei 120 Prozent. Bei diesem Vergleichswert ist nur noch Griechenland schlechter. Und Griechenland ist ohnehin am Ende. Heute ist  in den Medien von „Verramschen“ die Rede.

 

890 Milliarden Euro wurden bisher für die Euro-Rettung aufgebracht – ohne Wirkung. Hinzu kommen beträchtliche Risiken in der Bilanz der Europäischen Zentralbank, die etwa durch den Aufkauf von Staatsanleihen im Gesamtvolumen von 77 Milliarden Euro entstehen.

Unternehmer, Wissenschaftler und ein wachsender Teil meiner Regierungsfraktionskollegen verabschieden sich wie ich vom kostspieligen Regierungskurs. Ich fordere  den Schuldenschnitt. Eine geordnete Umschuldung kann nicht länger ein Tabu sein.

Europa muss alle Möglichkeiten ausloten, um eine EU-weite Inflation zu verhindern.

Ich schließe mich hier den Äußerungen von Commerzbankchef Martin Blessing an. Er hat sich ebenfalls für eine rasche Umschuldung Griechenlands ausgesprochen.

Dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung habe ich nur zugestimmt, weil damit noch keine Zahlungen verbunden sind. Ein Blankoscheck ist mit mir nicht zu machen.

 

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich jetzt auf meine eigentliche Aufgabe in der FDP-Fraktion zu sprechen kommen. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich im September 2009 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass die Fraktion mich auf Anhieb zur zuständigen Fachsprecherin für Frauen und Senioren ernannt hat. Außerdem bin ich delegiertes Mitglied in der fraktionsübergreifenden Kinderkommission.

 

Seniorenpolitische Themen klangen ja heute schon bei unseren Gesprächen in Eldagsen und in Springe an. Die demografische Entwicklung hat zu einem ehemals Rand-Thema ein Top-Thema gemacht.

 

Bei der Seniorenpolitik müssen wir differenzieren: Wir müssen alle einbinden – sowohl die aktiven und erfahrenen älteren Menschen. Sie haben ein hohes Potenzial an Lebenserfahrung und viel Know How aus ihren beruflichen Tätigkeiten. Darauf können wir nicht verzichten.

 

Auf der anderen Seite muss die Politik natürlich die wachsende Zahl an Pflegebedürftigen im Blick haben. Demenz-Erforschung ist wichtig. Wir müssen aber gleichzeitig bei der Pflege einen Schwerpunkt setzen. Dazu gehört, dass die Pflegeberufe auf den Prüfstand gehören. Das heißt auch, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen. Pflegeberufe werden meiner Meinung nach häufig zu schlecht bezahlt.

 

Satt und trocken reicht nicht aus. Wir brauchen qualifizierte Pflegerinnen und Pfleger, die nicht im Minutentakt pflegen. Alte, pflegebedürftige Menschen brauchen Zeit und Zuwendung.

Das gilt natürlich auch für die Pflegebedürftigen, die zuhause von Angehörigen betreut werden. Tausende von Berufstätigen vollbringen hier tagtäglich einen echten Spagat. Genau hier setzt die Familienpflegezeit ein. Mit diesem neuen Gesetz hat die christlich-liberale Koalition einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Berufstätige, die zuhause die bettlägerige Mutter oder die Ehefrau pflegen, haben die Möglichkeit, vorübergehend ihre wöchentlichen Arbeitsstunden zu reduzieren. Die Arbeitszeit können sie nach der Pflegephase nachholen.

 

Dieses Gesetz trägt klar eine liberale Handschrift. Wir konnten uns dabei durchsetzen, dass die Unternehmen nicht dazu verpflichtet werden, ihren Mitarbeitern diese neue Form der Auszeit anzubieten.  Ich bin sicher, dass auf freiwilliger Basis die Familienpflegezeit dennoch ein Erfolg wird.

 

Ein weiterer Erfolg ist der Altenbericht, den Experten im Auftrag der Bundesregierung veröffentlicht haben. Er soll nun umgesetzt werden. Im Mittelpunkt steht der Gedanke der vielfältigen Lebensformen von älteren Menschen heute. Für mich ist zum Beispiel ein wichtiger Aspekt, dass starre Altersgrenzen wegfallen. Niemand sollte gezwungen werden, seine Arbeit oder seine Tätigkeit in einer Organisation aufzugeben, nur weil ein bestimmtes Alter erreicht wird.

Altersdiskriminierung ist mir ein wichtiges Anliegen. Dazu gehört, dass auch ältere Mitarbeiter in Unternehmen ein Recht auf Weiterbildung haben.

 

Als letztes Stichwort zur Seniorenpolitik möchte ich Barrierefreiheit nennen. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Bedürfnisse alter Menschen in allen Lebensbereichen stärker berücksichtigt werden. Das muss in die Stadtplanung wie in den Wohnungsbau einfließen. Menschen müssen möglichst lange in ihrer gewohnter Umgebung wohnen bleiben können. Neben dem altersgerechten Wohnen setze ich mich unter anderem für ein flächendeckendes Hausnotruf-System  ein.

 

 

 

Mein anderer Zuständigkeitsbereich in der FDP-Fraktion ist die Frauenpolitik.

Sie haben sicher die heftige Quoten-Debatte der letzten Monate verfolgt. Es ist keineswegs so, dass nur die Oppositionsparteien hier starre Vorschriften durch den Gesetzgeber verlangen. Auch einige der CDU-Frauen sind hier aktiv. Sie wollen auf Biegen und Brechen die Zahl der Frauen in Führungspositionen durch eine 30-Prozent-Frauenquote erzwingen. Ob sie sich hier bei ihren männlichen Kollegen durchsetzen können, kann ich nicht sagen.

 

Ich bin jedenfalls weit und breit die einzige Frauenpolitikerin, die die Quote ablehnt. Für mich ist das Planwirtschaft. Einen so schwer wiegenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit kann ich als Liberale nicht akzeptieren.

Abgesehen davon: Ich bin überzeugt, dass die Frauen auch ohne Quote auf dem Vormarsch sind. Die Unternehmen haben längst begriffen, dass etwas geschehen muss. Mehr Unternehmen denn je setzen auf die Potenziale gut ausgebildeter Frauen für ihren Unternehmenserfolg.

 

Ich setze auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft.

Aber nicht nur das: Erforderlich sind gezielte Fördermaßnahmen für Frauen und Männer. Das im Stufenplan der Bundesregierung für mehr Frauen in Führungspositionen beschlossene Offenlegen der Stellenbesetzungen muss zügig umgesetzt werden. Wir brauchen mehr Vielfalt in den Unternehmen. Flexible Arbeitszeitbedingungen für Eltern sind dafür das wichtigste Instrument.

Ich bin der Überzeugung, dass jegliche Form von Quotierung nicht das eigentliche Problem von Frauen löst. So lange ein Vater noch schräg angeschaut wird, wenn er nachmittags das Büro verlässt, um seine Kinder vom Kindergarten abzuholen, besteht Handlungsbedarf. Ein Umdenken in den Köpfen, das Ablegen überholter Rollenstrukturen ist die größte Herausforderung für mich. Unverzichtbar sind natürlich auch individuelle Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach der Familienphase in den Beruf – und zwar gleichermaßen für Mütter wie Väter.

 

Mein letzter Punkt den ich ansprechen möchte ist die Kinderkommission des Bundestages.

Jede Fraktion entsendet einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete in dieses Gremium. Anders als in den Bundestagsdebatten können hier nur einstimmige Beschlüsse gefasst werden. Das finde ich gut, denn es geht hier um das Wohl unserer Kinder. In jeder Sitzungwoche des Plenums treffen wir uns mittwochs und haben immer einen oder mehrere Experten zu Gast, die zu bestimmten Problemen Stellung nehmen. Seit diesem Monat habe ich den Vorsitz der Kinderkommission, und für dafür habe ich ein konkretes Themenpaket vorgelegt. Zum einen möchte ich mit Sachverständigen diskutieren, was die Politik für ältere Kinder tun sollte. Dieses Thema eignet sich auch für unsere Arbeit in den Ortsverbänden. Ich bin ja noch leidenschaftliche Kommunalpolitikerin in Buchholz. Und auch hier müssen wir etwas für die Jugendlichen tun, nachdem in den letzten Jahren die kleinsten Kinder im Zuge des Ausbaus der Kinderbetreuung im Fokus standen.

 

Mein anderes Schwerpunktthema wird Trauer von Kindern sein. Wenn Opa oder Oma sterben, oder der Vater, oder wenn die Eltern sich trennen – dann trauern Kinder. Häufig fühlen sie sich allein gelassen. Hier möchte ich ein Tabu brechen.

 

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt auf Ihre Fragen!

 

 

 

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