Berlin, 25. März 2011
Liebe Parteifreunde,
wer in der Politik ist, braucht einen langen Atem und manchmal lohnt es sich, beharrlich zu sein. Schon vor Jahren hat sich die FDP für die Aussetzung der Wehrpflicht eingesetzt und auch in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrungen. Dass es jetzt tatsächlich soweit ist, ist ein Erfolg der Liberalen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz diese Woche ein wichtiges Ziel erreicht. Die Aussetzung war aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage und einer seit Jahren fehlenden Wehrgerechtigkeit längst überfällig.
Nun muss die Bundeswehr als Arbeitgeber allerdings noch attraktiver werden, damit junge Menschen für den freiwilligen Wehrdienst gewonnen werden können. Das bestätigte mir in einem Gespräch der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, mein geschätzter ehemaliger Fraktionskollege, Hellmut Königshaus. Vor allem was die Vereinbarkeit von Familie und Dienst angeht, besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf. Die FDP-Bundestagsfraktion hat hierzu Vorschläge in einem Papier vorgelegt – zum Beispiel mit der Forderung nach einem eigenen Besoldungsrecht für Soldaten und längere Stehzeiten.
EU Rettungsschirm
Die Debatte um den EU-Gipfel habe ich erneut mit Bauchschmerzen verfolgt.
Ab 2013 soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) den befristeten Krisenfonds EFSF ablösen. Es ist richtig, dass unsere Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger Nachbesserungen am ECOFIN-Ergebnis noch vorm EU-Gipfel fordert. Das Ergebnis von ECOFIN kann nicht das Verhandlungsergebnis sein. Wir wollen eine Stabilitäts- und Verantwortungsgemeinschaft. Drei Punkte sind für die FDP-Bundestagsfraktion dabei entscheidend: Das Einstimmigkeitsprinzip, Hilfen als letztes Mittel („Ultima ratio“) und die Beteiligung privater Gläubiger. Eine Haftungsunion wird es nicht geben. Demnach soll der ESM nicht zur Deckung bestehender Schulden der Mitgliedstaaten verwendet werden dürfen, sondern lediglich vorübergehende und zurückzuzahlende Liquiditätshilfen geben können. Dies soll auch nur dann möglich sein, wenn die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds bescheinigt haben, dass die hilfeersuchenden Staaten ihre Schulden tragen können und nicht insolvent sind. Darüber hinaus soll der ESM auch neue Staatsschuldverschreibungen ankaufen können. Beides soll nur möglich sein, wenn der Hilfe ersuchende Staat zuvor ein wirtschaftspolitisches Anpassungsprogramm aufgelegt hat. Die Finanzminister der Eurozone entscheiden über die Vergabe von Hilfsgeldern dann im gegenseitigen Einvernehmen. Dies bedeutet, dass Einstimmigkeit vorliegen muss. Alles in allem erfreulicherweise eine deutliche Einschränkung gegenüber den vagen Ankündigungen bis vor wenigen Tagen. Dennoch mache ich keinen Hehl daraus, dass ich nicht akzeptieren werde, wenn Deutschland EU-Zahlmeister sein soll.
AWACS-Einsätze über Afghanistan
Zugestimmt haben wir heute morgen noch dem AWACS-Einsatz über Afghanistan. Damit sollen die Bündnispartner entlastet werden, die an den Militäraktionen in Libyen teilnehmen. Die Abzugsperspektive bleibt dabei erhalten, ebenso die Obergrenze der Truppen von 5.350 Soldaten. Aufgestockt wird nur im vorgesehenen Bereitschaftsrahmen von 300 Mann. Außenminister Guido Westerwelle erklärte, dass zum Zeitpunkt der Mandatsverlängerung keine AWACS-Einsätze geplant waren. Der Schwerpunkt der deutschen Einsatzkräfte lag auf der Ausbildung einheimischer Sicherheitsleute und Polizeikräfte. Nun habe sich „mit der Veränderung der Lage in Libyen die Lage insgesamt verändert“, so der Vizekanzler. Ich bin für eine Ausweitung der Sanktionen. Wir in der FDP-Fraktion wollen ein Öl-Embargo, Gaddafi muss der Geldhahn abgedreht werden.
Frauen in Führungspositionen
Leider fiel die für Mittwochnachmittag geplante Veranstaltung „Frauen in Führungspositionen – Trendumkehr ohne Quote machbar?“ der schwierigen Debatte um den AWACS-Einsatz zum Opfer. Da kurzfristig eine eigens berufene Fraktionssitzung zu diesem Thema angesetzt wurde und auch Präsenzpflicht im Plenum war, mussten wir zu meinem großen Bedauern unsere Veranstaltung auf eine späteren Zeitpunkt verschieben. Da wir auf unsere Einladungen eine sehr große Resonanz hatten (weit über 100 Anmeldungen), bin ich sicher, dass wir auch beim nachgeholten Termin (voraussichtlich am 4. Juli) auf ähnlich großes Interesse stoßen. Aus ganz Deutschland hatten sich Frauen und Männer, (diese zwar in der Minderheit, aber dennoch erfreulich!) in verantwortlichen Positionen aus Unternehmen, Verbänden und Parteien angemeldet. Das zeigt mir, dass unsere Position gegen eine staatlich verordnete Frauenquote von vielen Menschen geteilt wird.
Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ich als FDP-Frauenpolitikerin mit dieser Haltung häufig auf Anlehnung stoße. Es ist wirklich befremdlich, mit welcher Ignoranz und Respektlosigkeit Andersdenkende auf meine Argumente in Diskussionen (wie am Mittwochabend auf Einladung des norwegischen Wirtschaftsministers) und auch auf meine Reden im Plenum reagieren. Leider sind dies nicht nur Frauen aus der Opposition bzw. aus dem linken Lager. Ich bin enttäuscht, dass ich auch aus den Reihen unseres Koalitionspartners (ausschließlich KollegINNEN, die auf Biegen und Brechen die Quote erzwingen wollen) mit Ausgrenzen abgestraft werden soll. Deshalb war ich nicht wirklich überrascht, dass ich mit meinen Positionen auch bei der Equal Pay Day-Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor – also mit meinem Nein zur staatlichen Quote – (zunächst) allein auf weiter Flur stand – nimmt man jedenfalls die Geräuschkulisse als Stimmungsbarometer. Allerdings: Unter den hunderten von roten Fahnen (die meisten kamen aus dem SPD- Grünen- und Gewerkschaftslager und spielten Wortführer) mehrten sich in den hinteren Reihen ganz andere Stimmen. Meine Mitarbeiterinnen hörten während meiner Rede auch viele Kommentare nach dem Motto „Recht hat sie. Wir müssen andere Wege gehen als eine Quote ausrufen.“ Aufgerufen zum Equal-Pay-Day hatte der parteiübergreifende Deutsche Frauenrat. Mein kurzes Statement, in dem ich mich für Offenlegen der Gehaltsstrukturen unter Wahrung des Datenschutzes und den Abbau von Stereotypen bei der Berufswahl ausspreche, füge ich Ihnen in der Anlage bei.
Steuervereinfachungsgesetz
Zum Schluss noch eine positive Meldung: Die FDP-Bundestagsfraktion hält an einer umfassenden Steuervereinfachung fest. Das haben wir mit der heutigen Beratung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages unterstrichen.
Das Steuervereinfachungsgesetz entlastet nicht nur in finanzieller, sondern auch in bürokratischer Hinsicht. Statt jährlich den Kampf mit den Formularwüsten aufzunehmen, müssen die Bürger ihre Zahlen auf vorausgefüllten Steuerformularen nur noch prüfen; typische Angaben, welche den Finanzbehörden vorliegen, müssen nicht mehr eingetragen werden. Außerdem kann die Einkommensteuererklärung künftig wahlweise auch nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden. Die Berechnung der Entfernungspauschale wird vereinfacht, ebenso wie die Berechnung des Kindergeldes oder die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge. Finanziell profitieren die Bürgerinnen und Bürger auch von der Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages von 920 auf 1.000 Euro. Der Pauschbetrag soll die typischen Kosten eines durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushaltes steuerlich berücksichtigen.
Durch den Verzicht auf viele Detailregelungen und schriftliche Belege werden auch Unternehmen jährlich um rund vier Milliarden Euro an Bürokratiekosten entlastet. Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.
Liebe Parteifreunde,
die nächste Woche werde ich im Wahlkreis sein. Unter anderem werde ich am Donnerstagabend am Rande der Veranstaltung im Überseeclub zusammen mit Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder in einem Interview Gemeinsamkeiten, aber auch unterschiedliche Ansätze in der Familien- und Seniorenpolitik der Koalition darstellen.
Herzliche Grüße,
Ihre/Eure Nicole Bracht-Bendt