Meine Woche in Berlin (23)

26. November 2010

Liebe Parteifreunde,

Sie haben die Bilder in den Medien sicher gesehen – das Regierungsviertel gleicht  einer Festung. Überall Polizeikontrollen, die Reichstagskuppel ist gesperrt und Besucher dürfen nur noch in offizieller Begleitung zum Treffpunkt gehen. Durch Putins Besuch wird das ganze heute noch einmal getoppt. Vor den Eingängen zum Reichstag standen mir fünf schwer bewaffnete Polizisten gegenüber, als mein Hausausweis – so gründlich wie noch nie – gecheckt wurde. Die Sicherheitsvorkehrungen wegen der Terrorwarnungen und die auf Aufklärung statt Panikmache bedachte Informationspolitik von Innenminister de Maiziere müssen wohl sein. Ich habe keine Angst. Angemessene Wachsamkeit ist sicher nötig, aber absolute Sicherheit gibt es nie. Ich schließe mich Benjamin Franklin an, der gesagt hat: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

Die Freiheit war auch bei den Endberatungen des Haushalts 2011 ein Thema: Wir Liberale haben in der Debatte zum Justiz-Etat am Donnerstag klar gestellt, das wir Gesetzesverschärfungen im Namen der Terrorbekämpfung ablehnen. Die Freiheit verträgt keine weiteren Sperrgitter.

Eine Forderung, die angesichts der aktuellen Sicherheitslage immer wieder laut wird, ist die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die das Bundesverfassungsgericht im März ausgesetzt hatte. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Recht, wenn sie ebenfalls wie die Verfassungsrichter keinen Sinn in Datenspeicherung ohne Anlass sieht. Es gibt bekanntlich schon Bestandsdaten, auf die man zurückgreifen kann, dafür brauchen wir keine sechsmonatige Speicherfrist per Gesetz.

Die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger hat am Donnerstag in ihrer Rede bei der Generaldebatte zum Kanzlerinnen-Etat die Handlungsfähigkeit der Koalition beschwört. Die Sparanstrengungen der Koalition müssen aus meiner Sicht oberste Priorität haben. Die Zahlen zum neuen Haushalt hatte ich ja schon in meinem letzten Brief aus Berlin genannt. Festhalten will ich noch einmal, dass wir bei den Ausgaben (305,8 Mrd. Euro) Kürzungen um 13,7 Mrd. Euro gegenüber dem letzten Jahr durchsetzen konnten. Das ist mit 4,3 Prozent der größte Ausgabenrückgang, den wir je hatten.

Ich bin froh, dass die Kollegen in der Fraktion in der letzten Woche erneut bekräftigt haben, dass Steuervereinfachungen noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden sollen.

Apropos Steuervereinfachungen: Wenn wir über das einfache Steuerkonzept der FDP reden (mit der wir Wahlkampf gemacht haben und an das ich immer noch glaube!!), fällt immer der Name Hermann-Otto Solms. Deshalb war es keine Überraschung, dass zu dessen 70. Geburtstag am Dienstagabend wirklicher großer Bahnhof herrschte. Ich denke, es gibt einige, die es bedauern, dass der Kollege Solms in dieser Koalition nicht Finanzminister geworden ist.

Noch einmal kurz zurück zur Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden. Es hat mir gefallen, wie sie mit den „Dagegen-Grünen“ scharf ins Gericht gegangen ist. Vor allem das Verhalten der Grünen im Zuge der Castor-Transporte kritisierte sie – zur Recht. Ich erinnere mich auch gut an Herrn Trittin, wie er im Amt als Umweltminister unter Rot-Grün die Proteste noch verurteilt hat. Heute stellen sich die Grünen an die Spitze der Demonstrationen und distanzieren sich auch nicht von illegalen Aktionen wie das „Schottern“.

Den Abschluss der Haushaltsdebatte bildete heute der Einzelplan 17, den Haushalt für Familien und Senioren. Ich fand es schade, dass Familienministerin Schröder die meiste Zeit ihrer Rede darauf verwandte, das Elterngeld zu verteidigen. Meiner Meinung nach kann das Elterngeld, das jungen Eltern ein Jahr lang in Form einer Lohnersatzleistung gezahlt wird, eine wertvolle Hilfe sein, damit die finanziellen Einbußen nach der Geburt eines Kindes verkraftbar sind und Vater oder Mutter nach einem Jahr wieder nahtlos zurück in den Beruf kehren können. So weit so gut  – ich finde es aber auch wichtig, die Auswirkungen des Elterngeldes im Blick zu haben. Da hilft kein Drumherumreden, das Ziel, mit dem die damalige Familienministerin von der Leyen das Elterngeld begründete, nämlich dass wieder mehr Kinder geboren werden, ist verfehlt. Es wurden in den zurück liegenden zwei Jahren noch weniger Kinder geboren. Das ist bedauerlich und ein berechtigter Anlass, das Instrument Elterngeld auf den Prüfstand zu stellen.

Obwohl wir in dieser Woche wiedermal einen regelrechten Sitzungsmarathon im Plenum absolvierten, gab es am Rande eine ganze Reihe anderer wichtiger Termine: So begann die Woche  mich diesmal schon am Samstag mit der Sitzung des Bundesfachausschusses Soziales in Hannover. Montagfrüh ging es nach Frankfurt zur Vorstandssitzung der Liberalen Senioren und abends zurück nach Berlin zur Fraktionssitzung. Um die von Familienministerin Schröder geplante Familienpflegezeit ging es am Mittwoch in der Koordinierungsrunde, an der ich in meiner Eigenschaft als Obfrau der FDP-Bundestagsfraktion für  die Themen Familie und Senioren teilnehme. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur in unserer Fraktion an der geplanten Reglung Kritik daran geübt wird. Auch in den Unionsfraktionen gibt es noch keine einheitliche Meinung. Ich bedauere das. Wenn die Familienpflegezeit auf freiwilliger Basis den Tarifpartnern ermöglicht würde, wäre aus meiner Sicht dies ein positives Signal an unsere alternde Gesellschaft. Uns muss klar sein, schon heute pflegt jeder fünfte von uns einen Anverwandten. Ich finde, wenn jemand zwei Jahre lang seine Arbeitszeit halbieren will, um zuhause jemanden zu pflegen, sollten wir zeitgemäße Arbeitsmodelle ermöglichen.

Im Büro müssen wir heute Abschied nehmen von unserer Stipendiatin aus Budapest, Viktoria Acs, die zurück in ihre Heimat geht und dort im Januar ihr erstes Baby bekommt. Die 30jährige promovierte Juristin, die im Justizministerium in Budapest die EU-Präsidentschaft mit vorbereitet hat, war ein halbes Jahr lang fachlich und menschlich eine Bereicherung in unserem Büro. Wir hoffen, dass sie wie geplant, zurück nach Berlin kommt. (Viktoria sagt: Am liebsten für immer….)

Ein letztes Stichwort: Der Bundesrechnungshof hat in dieser Woche moniert, dass zum Ende der letzten Legislaturperiode Bundestagsabgeordnete aus Geldern des Sachkostenkontos Montblanc-Füllhalter im Wert von 68.000 Euro gekauft haben. Das finde ich skandalös und mit nichts zu rechtfertigen. Wer von anderen verlangt, den Gürtel enger zu schnallen, und selbst nicht danach handelt, ist alles andere als ein Vorbild. Auch wenn es nicht viel ist, leiste ich einen kleinen Beitrag, indem ich seit einem Jahr 10 Prozent von meinem Sachkostenkonto einspare.

Liebe Freunde und Freundinnen, meine Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein schönes, entspanntes 1. Adventswochenende. Ich melde mich schon in der nächsten Woche wieder, denn dann folgt eine weitere Plenarwoche.

Herzliche Grüße,

Ihre/Eure Nicole Bracht-Bendt

Wahlkreisbüro: Kirchenstraße 1, 2144 Buchholz i.d. Nordheide

Tel. 04181/2187869 Fax 04181/218786

Email: Nicole.Bracht-Bendt@wk.bundestag.de

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