Liebe Parteifreunde,

sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Woche drehte sich in Berlin natürlich alles um die Wahl des neuen Bundespräsidenten. Von „Wahl-Krimi“ und „“Wahl-Marathon“ war seit Tagen vorher die Rede in den Medien. Beide Schlagzeilen beschreiben den langen Mittwoch treffend. Als Bundestagspräsident Lammert das ernüchternde Ergebnis des ersten Wahlganges bekannt gab, war klar, dass die Rechnung der Bundeskanzlerin nicht aufgegangen ist und Abweichler in den eigenen Reihen der Unions-Wahlmänner und –frauen waren. Wie einige aus unserer Fraktion hätte auch ich mir Joachim Gauck gut als gesamtdeutscher Bundespräsident vorstellen können. Ich hatte schon im Vorfeld der Wahl gegenüber der Presse gesagt, dass der Bürgerrechtler aus dem Osten und langjährige Mahner im Zusammenhang mit den Stasi-Machenschaften der DDR ebenfalls ein respektabler Bundespräsident wäre. Zwei Gründe dafür möchte ich an dieser Stelle nochmal aufführen: 1. Der evangelische Pfarrer Gauck steht für die friedlichen Demonstrationen (Wir sind das Volk“), die letztendlich den Fall der Mauer ausgelöst haben. 2. Als Liberale beeindruckt mich, dass Gauck immer wieder die Freiheit als das höchste Gut herausstreicht.

Schließlich hat der Niedersachse Wulff im dritten Wahlgang dann doch noch das Rennen gemacht. Ich habe keinen Zweifel, dass er und seine junge Familie nach außen ein positives und modernes Deutschland darstellen wird. Ich habe Wulff, mit dem wir Liberale in Niedersachen ja seit Jahren gut zusammen gearbeitet haben, unmittelbar nach der Wahl gratuliert.

Ich habe mich gefreut, dass ich zum ersten Mal den Bundespräsidenten mit wählen durfte. Weiterer Höhepunkt war natürlich die feierliche Vereidigung Wulffs am Freitagnachmittag im Bundestag, und gleich gehe ich zum Sommerfest im Garten des Schlosses Bellevue. Traditionell lädt der Bundespräsident einmal im Jahr Menschen zum gemeinsamen Feiern ein, die sich durch ehrenamtliches, freiwilliges Engagement verdient gemacht haben. Ich finde, dies ist eine schöne Tradition – allerdings hat wohl niemand vom Protokoll beim Verschicken der Einladungen Anfang des Jahres damit gerechnet, dass der bisherige Amtsinhaber Köhler dieses Mal nicht dabei sein würde.

Nach der Wahl

Viele Kritiker sind der Auffassung, dass die zögerliche Wahl von Wulff der Anfang vom Ende der christlich-liberalen Koalition sei. Das sehe ich anders. Allerdings muss die Regierung sich in den nächsten Monaten darauf konzentrieren, durch überzeugende Sachpolitik wieder Tritt zu fassen und zu mehr Gemeinsamkeit zu finden. Die FDP hat dabei besonders in der Finanzpolitik eine Schlüsselrolle. Sie ist Garant dafür, dass zum ersten Mal seit langem der Etat über die Ausgabenseite saniert wird und nicht über Steuererhöhungen.

Allen Unkenrufen – und katastrophalen Umfragewerten – zum Trotz möchte ich darauf hinweisen, dass ohne die FDP es auch dieses Mal kein Sparpaket gegeben hätte. Ohne die FDP wären auch dieses Mal die Steuern erhöht worden, vermeintlich, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Dabei ist die größte soziale Ungerechtigkeit die Staatsverschuldung: Der Schuldendienst frisst immer weitere Teile der Steuereinnahmen auf, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger etwas davon haben.

Der von mir geschätzte Fraktionskollege Volker Wissing hat diese Woche in einem Kommentar im Handelsblatt zusammen gefasst, dass jede Milliarde Euro Nettokreditaufnahme zu einer jährlichen Zinsbelastung des Haushalts in Höhe von 40 Millionen Euro führt, die an Investoren gezahlt werden müssen und nicht für staatliche Aufgaben zur Verfügung stehen.

Natürlich ist es in einer solchen Situation einfach, nach höheren Steuern zu rufen, aber wer soll sie bezahlen? Die vielen Prominenten, die einen höheren Spitzensteuersatz fordern, haben längst ihr Management beauftragt, ihre Steuerlast durch entsprechende steuerliche Gestaltungen zu begrenzen. Es ist geradezu perfide, wenn Personen, die über vielfältige steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten verfügen, einen höheren Spitzensteuersatz fordern, den vor allem abhängig Beschäftigte und Personengesellschaften bezahlen sollen, gleichzeitig aber die eigenen Berater veranlassen, ihre Steuerlast zu reduzieren. Steuern maximieren für die anderen, Steuern minimieren für sich selbst, ist weder moralisch noch vorbildlich.

Betroffen sind von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes ja keineswegs nur Millionäre. Es ärgert mich, dass in der Berichterstattung häufig ignoriert wird, dass es insbesondere mittelständische Unternehmen sind, die zur Kasse gebeten werden. Sie stärker zu belasten ist unfair, denn sie sind an den Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit angekommen. An der Einkommensteuerschraube kann nicht mehr beliebig gedreht werden. Die FDP muss jetzt dafür Sorge tragen, dass dieser in den Debatten bis zur Verabschiedung des Haushalts im Herbst die Leitlinie der Koalition ist und bleibt. Ich bin aber optimistisch, dass wir nach der Sommerpause liberale Politik in der Koalition durchsetzen werden!

Frauenpolitik aus Sicht der Skandinavier

Ich möchte zum Schluss noch ein paar Anmerkungen machen zu persönlichen Themen und Terminen dieser Woche: Als Sprecherin für Frauen der FDP-Bundestagsfraktion habe ich mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen eine Delegationsreise nach Skandinavien unternommen. Wir wollten uns ein Bild davon machen, was Lettland und Norwegen, die in Sachen Familienpolitik immer als vorbildlich dargestellt werden, anders machen als wir. Das bis auf die letzte Minute mit Terminen ausgereizte Programm war anstrengend, aber sehr interessant. (Insgeheim hatte ich ja die Hoffnung, an einem Abend mal die berühmte Oper in Oslo zu besuchen, dafür war aber keine Zeit.) Allein die Tatsache, dass hier die Kinderbetreuungsquote 98 Prozent beträgt, hat mich beeindruckt. Dabei geht es nicht nur um Zahlen. Die Skandinavier investieren kräftig in die Frauenförderung. Und: Das Familienbild ist ein anderes. Wenn in der Vorstandssitzung am Nachmittag der Vorsitzende plötzlich die Sitzung verlässt, um seinen Filius vom Kindergarten abzuholen, ist dies in Norwegen – den Berichten unserer Gastgeberinnen zufolge – nichts Ungewöhnliches. In norwegischen Unternehmen ist die Frauenquote inzwischen selbstverständlich, entsprechend hoch ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Das Ziel, den Frauenanteil in der Leitungsebene zu steigern, teile ich natürlich. Allerdings war ich die einzige Frauenpolitikerin in unserer Delegation mit Kolleginnen von Union, SPD, Grüne und Die Linke, die in der staatlich verordneten Quote nicht das Allheilmittel sieht. Ich möchte, dass eresst einmal der im Koalitionsvertrag vereinbarte Stufenplan zur gerechteren Besetzung von Führungspositionen umgesetzt wird. Die Quote sollte die letzte Möglichkeit sein.

Diese Position habe ich auch am Montag bei einem Gespräch mit einer Lobbyistin von Telekom geäußert. Diese hatte eine meiner Presseerklärungen zum Thema Quote zum Anlass genommen, mit mir ins Gespräch zu kommen. Ich habe die Initiative der Telekom, freiwillig eine unternehmensweite Quote einzuführen, als vorbildlich und nachahmenswert gelobt. Ich bleibe dabei, eine freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen ist sehr gut, der Staat sollte sich aber möglichst heraushalten. Ich bin sicher, gute Initiativen bekommen Nachahmer. Spätestens wenn aufgrund der demografischen Entwicklung Nachwuchskräfte händeringend gesucht sind, werden die Unternehmen vermutlich ohnehin gezwungen sein, nicht nur mehr für Frauen zu tun sondern allgemein durch flexiblere Arbeitzeiten und Betriebskrippen mehr Familienfreundlichkeit zu zeigen.

Burka-Verbot verfassungswidrig

Ein anderes frauenpolitisches Thema in dieser Woche war in der FDP-Fraktion die Debatte um ein Burka-Verbot. Ich lehne ein solches Verbot ab. Aus meiner Sicht wäre dies auch gar nicht mit unserer Verfassung vereinbar. Amnesty international hat bei der Einführung eines Burka-Verbots in Belgien vor einigen Monaten darauf hin gewiesen, dass ein solches Verbot das Gegenteil von dem bewirke was es anstrebt: Es diskriminiert und raubt die Persönlichkeitsrechte und die Religionsfreiheit der Frau. Das sehe ich auch so. Wenngleich es mich befremdet, wenn mir eine verschleierte Frau auf der Straße begegnet und ich nicht weiß, wer sich hinter dem Schleier verbirgt, denke ich, dass ein Burka-Verbot diesen Frauen eher schadet als nützt. Es ist davon auszugehen, dass Frauen, die nur verschleiert aus dem Haus gehen (dürfen!!!!), bei einem Burka-Verbot unter Umständen gar nicht mehr das Haus verlassen dürfen.

Liebe Parteifreunde,

nach dieser aufregenden Woche in Berlin freue mich auf ein kurzes Wochenende mit meiner Familie, bevor wir nächsten Montag in die letzte Sitzungswoche vor den Sommerferien starten. Danach treffen Sie mich vorrangig im Wahlkreis an.

Lassen Sie uns gemeinsam die Daumen drücken für ein schönes Fußballspiel morgen gegen Argentinien!

Herzliche Grüße,Ihre/Eure Nicole Bracht-Bendt

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